czwartek, 1 września 2011

balkanizacja pociągu albo podróź orient-ekspresem

und aus dem chaos sprach eine stimme zu mir: "freue dich und sei froh, es haette schlimmer kommen koennen." und ich freute mich und war froh, und es kam schlimmer.

worum geht es hier? in dieser allgemein bekannten anekdote geht es nicht um gott oder andere hoehere wesen und ihre unergruendlichen wege, sondern um eine alte einfache wahrheit: was man hat, weiss man erst, wenn es vorbei ist. und wie herausragend das ist, was man fuer normal und selbstverstaendlich gehalten hat, das merkt man erst, wenn man ploetzlich in eine situation geraet, in der so gar nichts mehr normal und selbstverstaendlich ist.
was auch immer man gegen den berlin-warszawa-ekspress vorbringen kann, die haeufigen verspaetungen, die fehlenden oder unterwegs abgehaengten waggons, die unfreundlichen schaffner oder die mirnichtsdirnichts wieder abgeschaffte moeglichkeit, online-tickets zu erwerben - eines muss man ihnen zugute halten: die ec's mit der seriennummer 40plus, die tagtaeglich auf den sechshundert kilometern von hauptstadt zu hauptstadt unterwegs sind - die geraden hin, die ungeraden zurueck - sind halbwegs zivilisiert. wer oder was auch immer die fahrgaeste seien - diamantenhaendler, zuhaelter, musiker, einkaufstouristen - eines muss man lassen: sie kennen sich einigermassen mit polen aus, oder auch mit deutschland, je nachdem. aber die passagiere der blau-weissen bwe-waggons bilden eine art transnationaler subkultur, eine grenzueberschreitende elite der erweiterten horizonte.
wie idyllisch und aussergewoehnlich das bei allem augenzwinkernden verhaftetsein an gaengigen stereotypen ist, beweis eine reise mit einem anderen zug auf einer anderen strecke. krakau und hamburg, auch zwei metropolen, auch zwei kulturstaedte, sollte man meinen, der fehlende parlamentssitz kann doch kein weltbewegender unterschied sein, und immerhin fuehrt die strecke ja ueber berlin. doch man sollte es besser wissen, schon die zugnummer zeigt es: 248/249, das ist das kuerzel fuer den wilden osten, nur die vergitterten nachtzuege in die tiefen weiten der russischen steppen sind schlimmer. mit dem eurocity von berlin nach krakau fahren die staedtereisenden, besonders im herbst, und obwohl man meinen sollte, diese klientel haette doch wohl schon ein weniges von der welt gelernt, so wird man schnell eines besseren belehrt. augenzwinkernder humor? weit gefehlt. "taki poukładany kraj, a nawet przez wagon nie można przejść", flucht der erste pole, kaum dass sich der zug am hauptbahnhof in bewegung gesetzt hat. (wer jemals in einem ice mit seinen serienmaessigen grossraumwagen gefahren ist, weiss, welche szenen sich an jedem groesseren bahnhof abspielen, wenn die gepaeckstuecke sich in den gaengen stapeln, waehrend ihre besitzer hektisch nach reservierungen suchen und niemand am richtigen ort ist, naemlich unter der sitzplatznummer auf der fahrkarte. da hilft nur grossmut und ein langer atem.) aber bald fluchen nur noch die deutschen. gewiss, der zug faehrt puenktlich, suedkreuz, cottbus, forst, doch dann kommt der lokwechsel und beginnt jener in fuenfzig jahren eiserner vorhang fast vollkommen vergessene streckenabschnitt, eingleisig und unelektrifiziert wie aus den kinderjahren der eisenbahn, mit handgemalten kilometernsteinen und ruettelnden schwellen, den der zug nach massgabe eines genussvollen sonntagsspaziergangs zuruecklegt. um schliesslich in den bahnhof von węgliniec, ehemals kohlfurt, in wuerde gealtert und heruntergekommen und fern jeder handreichung des denkmalschutzes. ab hier nun ist die strecke wieder elektrifiziert, und da steht nun der gute zug und wartet auf sein alter ego aus der gegenrichtung, den das hat die lok, ohne den er die reise nicht fortsetzen kann. und der gegenzug hat verspaetung. so sammeln sich allmaehlich konsterniert die koepfe schuettelnde fahrgaeste auf dem bahnsteig, "das ist hier nicht deutschland", sagt der schaffner hoeflich und tatsaechlich auf deutsch, "das ist hier alles etwas anders." und fuegt hinzu, vielleicht im naechsten jahr, wenn der neue berlin-brandenburger flughafen eroeffnet, bbi, berlin-brandenburg-international, ehemals schoenefeld, billig, verrostet und weitab vom schuss, dann wird auch diese strecke ausgebaut und elektrifiziert, denn irgendwoher muessen die fluggaeste ja kommen, die bbi die passagiere, den nachtflug, die einnahmen und den ruf eines luftdrehkreuzes von rang einbringen. aber heute ist das zukunftsmusik. also wartet der eurocity aus hamburg nach krakau, bis der eurocity aus krakau nach hamburg endlich eintrifft. und nachdem die lokomotive nun da ist, fehlt ein anderer mangel auf: wo ist das bordrestaurant? und das bordrestaurant - polnisch wars, wie frueher mitropa - ist ausgefallen: "awaria", sagt der schaffer entschuldigend. "skandal!" bellt eine wuetende reisende, denn immerhin sind nun mindestens zweihundert menschen mitten in europa auf schienen zum hungertod verurteilt, ganz eindeutig. wundert es jemanden, dass so ein schoenes altdeutsches wort wie "butterbrotpapier" vollkommen aus dem sprachgebrauch verschwunden ist? wo es doch heute ueberall nur noch sandwiches gibt, und zwar abgepackt, luftdicht und vakuumversiegelt, und eine woche haltbar). gluecklicherweise gibt es die vermutlich allen deutschen und europaeischen hygiene-richtlinien hohnsprechende einrichtung eines mini-wars, eines ein-mann-betriebs aus verkaeufer und schiebewagen, bestueckt mit einem heisswasserbehaelter, plastik-kaffeebechern und dem in polen so weit verbreiteten pulverkaffee in portionstuetchen, und da der fortschritt selbst vor den polnischen zuegen nicht halt macht, ist das sortiment mittlerweile erweitert um cola fanta sprite, mars und snickers, chips und salzstangen und anderen dingen, vor denen das bundesgesundheitsministerium schon grundschulkinder eindeutig warnt. so wurde der hungertod von mindestens zweihundert menschen mitten in europa in letzter minute abgewendet, wenn auch auf kosten der gesunden ernaehrung. so setzt der eurocity seine reise fort, haelt hier und da ausserplanmaessig wegen bauarbeiten oder um auf einer eingleisigen strecke den gegenzug abzuwarten und sammelt langsam, aber sicher die unausweichlichen ausserplanmaessigen verspaetungsminuten an. wie sollte es anders sein auf einer nur fuer schleichtempo zugelassenen strecke, natuerlich einer unrenovierten, also wozu - denn hier ist schlesien, steinkohleabbaugebiet wie in deutschland nur an der ruhr, und selbst wenn die strecke schon hergerichtet waere und ausgelegt auf hoechsttempo innerhalb von schallschutzwaenden, der zug wuerde trotzdem nicht schneller fahren koennen wegen all der stillgelegten stollen unter tage, einsturzgefahr, also wozu... und beharrlich und fuersorglich dreht der ein-mann-betrieb seine runden durch die waggons, bietet kaffee und schokolade an, doch so gern er kaffee verkaufen wuerde, so kann er das schliesslich nicht mehr tun, weil der vorhandene bestand an plastik-kaffeebechern der nachfrage nicht standhalten konnte. das uebersetzt man also den reisenden auf der anderen seite des ganges, da englisch und polnisch nicht zueinander kommen wollen trotz guten willens auf beiden seiten, und erntet ob dieser wortergreifung staunende blicke und den unglaeubigen ausruf: "sie sprechen ja akzentfrei deutsch. unglaublich!" worauf man freundlich laechelt, bei der ankunft in krakau - mit einer halben stunde verspaetung - einen schoenen urlaub wuenscht, eilends den bahnhof verlaesst und alle staedtereisenden dieser welt herzlich, aber ernsthaft zum teufel wuenscht.

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