środa, 29 września 2010

rodzina na swoim albo wszyscy jesteśmy postkomunistami II

Domy stoją tam, gdzie ZOMO
schlagzeile der gazeta stołeczna ueber den geplanten bau von sozialwohnungen in einem warschauer vorort.

sobota, 25 września 2010

język na miarę albo ułatwij sobie życie

maennerbesuch. frueher war das anruechig gewesen. entweder waren die eltern dagegen gewesen, oder eine miesgraemige zimmerwirtin oder auch nur die gnadenlose hausordnung eines studentenheims mit lauter vierbettzimmern. heute war das anders. alles, was einem heute noch in die quere kam, waren der eigene postmoderne definitionsekel, der an jeder ecke schubladen und etiketten witterte, die er um jeden preis zu vermeiden trachtete. zuhause fand man fuer derart ausgesuchte probleme gehoer, im ausland weniger. denkwuerdige fragezeichen schienen dort unbekannt.

also maennerbesuch. in einer kleinen, neubaugemaess hellhoerigen zweizimmerwohnung. nicht unbedingt anruechig, aber unschoen. es folgten langwierig verbluemte erlaeuterungen ueber den besuch, der da kam. ah, twój chłopak! sagte die mitbewohnerin mit sonnenklarer stimme und zog das wochenende ueber aus. der strassenkuenstler auf dem marktplatz, dem wir ein paar muenzen in den hut warfen und ein feuerzeug liehen, fragte mit ebenso sonnenklarer stimme: a twój mąż pracuje w niemczech? - was ich, owszem, mit ebenso sonnenklarer stimme bestaetigen konnte.

also kein maennerbesuch, sondern: twój chłopak. twój mąż. was fuer eine karriere im laufe eines wochenendes, und ganz ohne standesamt. das leben konnte so einfach sein.

piątek, 24 września 2010

wsiadaj, obywatelu! albo wszyscy jesteśmy postkomunistami

ich wartete am fahrstuhl, die aeltere frau stieg ein, aber der hund zu ihren fuessen wollte nicht so recht. no wsiadaj, obywatelu! sagte die frau, und der hund liess sich schliesslich dazu herab. czy pies naprawdę ma na imię obywatel? fragte ich. nie, on ma na imię plater, sagte die frau, tylko ja nazywam go obywatel. der hund schaute mich an, und ich fragte mich, ob er wusste, dass obywatel im kommunistischen polen die anrede fuer alle gewesen war, die die anrede towarzysz nicht verdienten, aber da hielt der fahrstuhl im vierten stock.

niedziela, 19 września 2010

w dobrym towarzystwie

aber die kreuzritter waren keineswegs allein. die kreuzwege standen ihnen kaum nach; man lief nun kreuz und quer durch die stadt, in der es sowieso drunter und drüber und überkreuz ging. es war mal wieder ein kreuz mit diesem land.

piątek, 17 września 2010

trafność absurdu ciąg dalszy albo słowo o krzyzu

jede stadt hat ihre orte, die wie landmarken die mental maps ihrer bewohner markieren, orte, an denen man sich trifft, orte, die jeder kennt, auch ohne jemals dort gewesen zu sein: jeder kennt und findet gedaechtniskirche, dussmann, fernsehturm oder weltzeituhr. auch warschau hat seine orte - man trifft sich zum beispiel vor dem pałac (solange er noch nicht von national gesinnten revanchisten abgerissen wurde - und man sollte sich vorher verabreden, auf welcher seite), vor der pko-rotunde (solange sie noch steht und nicht durch einen weiteren spiegelglasverkleideten wolkenkratzer ersetzt wurde) oder an der palme (wenn sich jemand findet, der auch im naechsten jahr das geld fuer ihre unterhaltung aufbringt). zuletzt gab es auch noch eine vierte moeglichkeit: man traf sich am kreuz. das kreuz stand auf dem krakowskie przedmieście vor dem praesidentenpalast, inmitten der waechsernen ueberreste von millionen und abermillionen grabkerzen, die langsam in die fugen des strassenpflasters sickerten. das kreuz war aus holz und an sich voellig unschuldig; in einem christlichen staat ist ein kreuz als ausdruck der trauer ein naheliegendes symbol, und der staat war ja in trauer, nachdem er auf einen schlag sein oberhaupt und einen teil seiner elite verloren hatte - oder zumindest war die polnische gesellschaft in einem schockzustand, der eben verfassungsrechtlich als staatstrauer bezeichnet wurde. das kreuz war kurz nach der katastrophe im april von den pfadfindern errichtet worden, die wache hielten vor dem praesidentenpalast und die abertausenden menschen betreuten, die sich an diesem ort einfanden, um ihren gefuehlen ausdruck zu verleihen. allmaehlich verschwanden die menschenmassen, die kerzen und die pfadfinder, das kreuz aber blieb. es war mit rot-weissen baendern geschmueckt, und immer wieder legte jemand blumen oder kerzen an seinem fusse ab. im laufe des sommers geriet das kreuz erst den journalisten, dann den politikern und schliesslich der denkmalschutzbehoerde und den staatsrechtstheoretikern in den blick. man koennte auch sagen: es war ihnen ein immer spitzerer dorn im auge. ein religioeses symbol im oeffentlichen raum eines weltanschaulich neutralen staates? veraenderungen in der denkmalgeschuetzten historischen altstadt, fuer die keine genehmigung vorlag? mit den wochen waren immer mehr stimmen zu hoeren, die fuer ein ende des ausnahmezustandes und einen umzug des kreuzes plaedierten. politiker trafen sich mit pfadfindern und bischoefen, um eine wuerdige und akzeptable loesung zu suchen. diese vorgaenge riefen nun eine ganz andere gruppe von akteuren auf den plan: die verteidiger des kreuzes. es war nicht ganz unzutreffend zu behaupten, dass viele von ihnen schon etwas aelter waren, baskenmuetzen aus mohair trugen und in ihrer freizeit radio maryja hoerten.
der polnisch-polnische buergerkrieg, der bisher hauptsaechlich mit schlagzeilen und leitartikeln gefuehrt worden war, trat nun auf die strasse. ein erster versuch, dem kreuz in der nahegelegenen sankt-annen-kirche eine wuerdige heimat zu geben und es damit endlich aus dem gottverdammten oeffentliche raum herauszukriegen, scheiterte spektakulaer: mit ein paar zusammengeschlagenen demonstranten, ausgebuhten priestern und ohne ergebnis. das kreuz blieb, wo es war, und avancierte unter den orten der stadt zum angesagtesten place to be: hier war immer etwas los, hier gab es immer etwas zu sehen, hier musste man dabeigewesen sein. seinem besuch praesentierte man stolz eine weitere, urtypisch polnische sehenswuerdigkeit. war man zufaellig in der gegend, schaute man fuer alle faelle mal vorbei. wenn man glueck hatte, war gerade das fernsehen da, hielt ein priester eine messe ab, bauten ein paar linke aktivisten ein kreuz aus leeren bierdosen der marke "lech", oder befuerworter und gegner einer katholisch-verschwoerungstheoretischen erinnerungskultur lieferten sich erhitzte wortgefechte. oft demonstrierten gegner und verteidiger des kreuzes gleichzeitig, sie forderten wahlweise kaczyński-denkmaeler oder springbrunnen und hielten schilder in die luft, auf denen wahlweise "polen erwache!" oder "weg mit den kreuzrittern!" stand. es war ein schaulaufen der eitelkeiten und absurditaeten, ein makabrer karneval an einem lauen sommerabend.
am 16. september hatte der ganze spuk schliesslich ein ende. in einem zweiten versuch und diesmal trotz aller proteste mit erfolg wurde das kreuz von seinem ort entfernt. die nachricht ging um die welt: sogar die tagesschau berichtete darueber.

was in erinnerung blieb, war ein weiteres absurdum: 600 jahre nach grunwald hatte das wort "kreuzritter" ploetzlich eine vollkommen andere bedeutung als bisher.

środa, 15 września 2010

jesienna podróż o swicie - ku wschodu

die tuer hinter sich zuziehen wie den deckel eines koffers, in den man den schlaf wegschliesst, und nicht abschied denken und nicht auf nimmerwiedersehen, und nicht zwischen zwei treppenstufen dem impuls nachgeben, den schluessel umzudrehen im schloss und abzuziehen und ueber die schulter nach hinten zuwerfen wie die muenze in den brunnen, kopf oder zahl, und so sich selbst jede moeglichkeit der rueckkehr zu verbauen - aber der vergleich hinkt... jeder vergleich hinkt an einem solchen morgen, denn koennte man sich tatsaechlich vorstellen, man waere allein auf erden, in einer stadt, die nicht nur schlaeft, sondern ausgeraubt und entvoelkert ist ueber nacht, koennte man sich tatsaechlich einreden, man bewege sich, zoegernd, geraeuschlos, wie auf katzenpfoten, durch die traumwelt eines kulissenlandes, das nur zufaellig berlin so taeuschend aehnlich sieht und wie verzaubert und verwunschen...
und wenn dann die in ziegelrot erstarrte ritterlichkeit all dieser ekelhaft neugotischen kirchen beruhigend in der dunkelheit verbleibt, kein kaiser mehr fuer deutschland und nie wieder kaiserwetter, wenn auch die nichtendenwollenden fronten des zentralflughafens tempelhof zurueckhaltend im schatten bleiben, so dass die adler an den mauerecken ihre herkunft nicht verraten, und die stadtautobahn tatsaechlich so grau und leer ist wie in den aufnahmen, die frueher auf fab liefen nach mitternacht in endlosschleifen, ewig gleiche bruecken kurven auf- und abfahrten hinweisschilder laermschutzwaende und immer wieder der tachometer mit der nadel auf achtzig, auf achtzig, mein gott, was waren das fuer zeiten - muss man sich doch wieder einmal fragen, ob berlin nun wirklich das gelobte land ist, das paradies auf erden und die zukunftsmusik mit pauken und trompeten, oder doch nur der underdog, das schmuddelkind unter den deutschen grossstaedten mit vollen arbeitsaemtern und leeren kassen und jeder menge lebensentwuerfe, wenn ich gross bin werde ich, die immer exposé und szenario bleiben werden, diese hauptstadt der hochstapler, freier markt und freie liebe, und was sie eben alles predigen in einer freitagnacht, wenn keiner mehr zuhoert - du bist verrueckt, mein kind, du musst nach berlin... und alles, was dann bleibt, ist ein koffer in irgendeiner abstellkammer hinterm flur, ein koffer wie ein klotz am bein.
so zieht man den mantel enger um die schultern, wie die vorstellung als kind, man koenne sich in einen mantel, einen kokon aus schweigen huellen und mit sich tragen durch die gewoehnliche welt eines winterabends, so scheint auch jetzt ein unsichtbarer kokon aus nachttrunkener traumverlorenheit niederzusinken auf genick und rueckgrat, wenn nach einem naechtlichen regenschauer die spurrillen im licht der strassenlaternen so verraeterisch-verfuehrend leuchten wie allzu bekannte, allzu eingefahrene gleise, denen man aber folgen kann, blind und blindlings, ohne einen einzigen gedanken an die selbstvergessenen gewissheiten von frueher, die nach und nach alle vorbeiziehen, so jung kommen wir nicht mehr zusammen, trugbild auf trugbild, was war und was haette sein koennen, und man verfaengt sich in ihnen, in all diesen unbeantwortbaren fragen, all diese kleinen unbemerkten weichenstellungen, it's like that and that the way it is, wo doch wirklich alles ganz anders haette sein koennen, da bleibt kaum mehr als ein schulterzucken, doch wieder einmal steht man auf verlorenem posten und weiss schon, dieses "was waere wenn" wird einem die ganze fahrt im nacken sitzen...
und wenn dann am horizont endlich eine spaete wintersonne zu sehen ist und ausser frage steht, dass nun tag geworden ist und keine schuetzende nacht ewig dauert, und wie das fallbeil eines urteilsspruch der gedanke in den hinterkopf faellt, dass man nur reist, wenn man ein ziel hat, und dieses ziel unausweichlich erreichen muss, auch nach dieser reise, und wenn dann in den ersten verlogen roetlich-warmen sonnenstrahlen die oderbruecke unzweifelhaft die ueberschrittene grenze anzeigt, und wenn dann das bahnhofsgebaeude von kunowice in den blick tritt, dieses ruehrende symbol der sozialistischen mission in der provinz: unser dorf soll schoener werden, und wenn doch nicht schoener, so wenigstens fortschrittlicher, neuzeitlicher, wenigstens einen hauch von m o d e r n, in jenem betonentwurf, der einen vordergruendigen eindruck von avantgarde mit den handfesten anforderungen der industriellen massenfertigung verbindet, das aber zumindest gekonnt, nur geblieben sind weder avantgarde noch fortschritt noch industrie, hier aussteigen, hier aussteigen und bleiben und bruecken die beim vormarsch brechen, fort, fort und kein blick zurueck, alle bruecken hinter sich einreissen und nur ein verlassenes bahnhofsgebaeude an einem toten gleis unter stehengebliebener uhr am rande der provinz, durchsichtig hinter ungeputzten scheiben, durchsichtig bis zu himmel und wolken und horizont, hier also aussteigen und endlich endlich einmal das tun, wovon man immer nur traeumt und was man niemals vollbringt: ankommen.

poniedziałek, 13 września 2010

jesienna wschodu o swicie - ku zachodu

einmal sein leben in die haende eines anderen legen, eines beliebigen, erstbesten, dahergelaufenen, und sei es in die haende des taxifahrers, der wie bestellt am strassenrand wartet und, waehrend man sich zuruecklehnt, mit achtzig durch die stadt und ueber die rote ampel faehrt, schliesslich wird er wissen, was er tut, wie er auch an der naechsten ampel wie unbemerkt den takt zur radiomusik aufs lenkrad klopft, vielleicht leise pfeift, so dass man fast schon versucht ist zu fragen, und mit der familie alles in ordnung, so sehr bietet es sich an - und warum auch nicht einen preis zahlen und ein trinkgeld dafuer, dass man einmal die aufsicht ueber wohlergehen und unversehrtheit der eigenen person im strassenverkehr schlicht und ergreifend vergessen kann und dergestalt noch kopflos ueber die bodenplatten und treppenstufen am bahnhof schleichen kann, dieses ueberdimensionierten wartesaals, dieses zwischenraums, dieser eigentuemlichen schleuse zwischen ankommen und abfahren - schliesslich verhaelt man sich auch dem gesichtslos-unbekannten lokfuehrer gegenueber nicht anders, der sicherlich seinen festen anteil bekommt vom ordnungsgemaess entrichteten, nach amtlichen prinzipien und kursen be- und verrechneten preis fuer die fahrkarte, nur eben ohne trinkgeld, aber ganz allein aus praktischen gruenden. und wenn dann der zug anfaehrt und die lokomotive ihr warnpfeifen einsam und verloren durch den morgendunst schickt wie ein nebelhorn an einer unbekannten sturmumtosten kueste, lehnt man sich wieder gedankenverloren zurueck und streift nur am rande das bild von schaltknoepfen signalanlagen schranken und sinnt wie im traum darueber nach, dass fuer jenen namenlosen menschen auf den gleisen dieses sehnsuechtig verlorene pfeifen der letzte laut waere von dieser welt, den er mit in jenes unnennbare jenseits nimmt, wie ein ungehoerter nachruf - aber meine angelegenheit soll das nicht sein, meine schuld ist es nicht gewesen...
wer aber sollte an einem solchen morgen auf den gleisen stehen, wenn die welt so neu und makellos wirkt wie am ersten tag und alles so fraglos vollkommen, als haette gott sie nur nebenbei geschaffen und den menschen dabei gar nicht bedacht - wie leicht ist es, an einem solchen morgen der illusion anzuhaengen, man koenne die sonne einholen, mit der zeit reisen, die zeit anhalten oder gar hinter sich lassen, um laenger und laenger in dieser eigentuemlichen morgenstunde zu verweilen, zu der der kommende tag noch so beruhigend fern und unschuldig wirkt, ein tag wie das ganze leben, das man noch vor sich hat, und zu der ein namenloser vorort zwischen niedrigen haeusern, billigen werbeschildern, schlammbedeckten einfahrten und rostig eingezaeunten wiesen so gottgegeben vollendet scheint wie das licht der fruehen morgensonne mit ihren unvergleichlichen rottoenen, die sich in den letzten nachtwolken und nebelbaenken brechen, so dass auf einmal jeder sozialistische plattenbaukomplex mit den spuren einer heruntergekommenen zeit wirkt wie eine strahlende musterstadt von le corbusier und jede kirche wie die sagrada familia am mittelmeer, als waere dies nicht nur ein flaches schmutziges land unter einem himmel voll verschmierter wolken. und einmal zu denken, die heimatlosen waeren nicht die verdammten dieser erde, sondern die auserwaehlten, und die welt muesste ihnen zu fuessen liegen mehr als jenen eingesessenen, beheimateten, verwurzelten, die ihr leben fristen zwischen tellerraendern auf augenhoehe, zwischen horizonten aus garagentor und nachbars gartenzaun und der endhaltestelle der ubahnlinie. der reisende kennt nicht die welt, er kennt die zwischenwelten und ihre verheissungsvolle aura, dieses stille leuchten, das auf ihnen liegt und nur aus der ferne zu erkennen ist, wo alle verpflichtungen des zwischenmenschlichen auf freundliche formeln beschraenkt sind, die man aus wohlgesinnter, wohltuend gedankenloser automatisierung von sich gibt, so dass man seine gefuehle endlich einmal und ausschliesslich fuer sich selbst behalten kann.

środa, 8 września 2010

pasażer/pasażerka

I (die reservierung)
sie wissen aber schon, dass sie hier ziemlich komisch sitzen?, fragte der schaffner, als er fahrkarten und reservierungen kontrollierte. natuerlich hatte der schaffner recht, aber wer zwang mich, meine fahrt in einem lauten zugigen grossarumabteil mit viel beinfreiheit und blick auf zwei klappsitze zu verbringen, waehrend neben mir ein russe mit langen haaren und lederjacke sass und in einem tuerkisfarbenen buch sass, dessen kyrillischen titel ich nicht entziffern konnte? ich bin aus deutschland, haette ich gern gesagt, da sucht man sich seine sitzplaetze lieber selber aus. ja, sagte ich dann nur, aber ich habe ja eine reservierung, zur not ziehe ich eben wieder um. der schaffner zuckte die schultern und schloss die tuer des abteils.

II (der handlungsreisende)
kurz hinter warschau kam der verpflegungswagen vorbei. der mann mir gegenueber versuchte mit einer mischung aus deutsch und englisch einen kaffee zu bestellen. ich uebersetzte "kaffee", "klein" und "gross", "euro" und "eins fuenfzig" ins polnische und zurueck. wollen sie vielleicht auch einen kaffee? fragte der mann. ich lehnte dankend ab und nahm meine zeitung wieder zur hand. wohnst du schon lange in deutschland, fragte der mann kurz darauf, meine hoffnung auf ruhe erfuellte sich also nicht, dafuer einmal mehr die erwartung, dass maenner vorzugsweise frueher als spaeter und stets vollkommen ungefragt vom du zum sie wechseln. doch wie immer fiel mir ein einfaches "ja" nicht ein. ich wohne schon lange in polen, sagte ich also. du siehst auch nicht aus wie eine polin, sagte der mann. habe ich gleich am gesicht gesehen. er sprach mit einem irgendwie arabischen akzent, aber ich sagte ihm nicht, er sehe nicht wie ein deutscher aus. was machst du da? fragte der mann. ich studiere geschichte, sagte ich also. geschaefte? frage der mann. geschichte, wiederholte ich. und? ist interessant? fragte der mann. ich nickte nur noch. ich habe nie geschafft, diese sprache zu lernen, sprach der mann weiter. brauche ich immer einen dolmetscher. ich mache geschaefte, weisst du, in polen. habe ich drei tage und drei naechte nicht geschlafen. hat der dolmetscher gesagt, vielleicht kannst du das, drei tage arbeiten ohne zu schlafen, aber ich kann das nicht. ich hoffte sehr, er wuerde mich nicht fragen, ob ich dolmetschen koenne. weisst du, was der unterschied zwischen diamanten und brillianten ist? fragte er stattdessen. die einen sind roh, die anderen geschliffen, sagte ich. ich wollte lieber nicht wissen, was das fuer geschaefte waren.
viva germania! rief der mann, als der zug in den bahnhof frankfurt oder einfuhr. alleluja!, dachte ich, als er am ostbahnhof ausstieg.

III (der provinzler)
selten war der zug so leer. wir waren nur zu zweit, da war es schliesslich naheliegend, ueber remarque und franzen ein gespraech zu beginnen, so dass am ende der reise keiner der beiden romane ausgelesen war. zwischendurch stellte sich heraus, dass das ruhrgebiet bei essen beginnt, dass duesseldorf aber bereits zum rheinland gehoert und es dort ein ganz nettes kulturangebot gibt, das sich unter anderem in der tatsache aeussert, dass koeln gleich um die ecke liegt. es klang fast so, als waere westdeutschland zuweilen doch ganz ertraeglich oder sogar wohnlich, nur warum dann trotzdem irgendwann alle nach berlin wollten, das verstand ich immer noch nicht.
in frankfurt oder stieg ein aelterer mann ein, er trug erwartungsgemaess schnauzbart, schiebermuetze und joppe und verstaute neben einer aldi-tuete einen aktenkoffer von beaengstigendem format auf der gepaeckanlage. in der aldi-tuete war eine familienpackung ariel color untergebracht, dem aktenkoffer entnahm der mann eine familienpackung kochschinken, aber weder die eine von zwei flaschen oettinger noch den billigen weinbrand mit dem so entfernt ans franzoesisch erinnernden namen, dass es sich nur um die hausmarke eines niederrangigen discounters handeln konnte. hinter der grenze zog er das telefon aus der tasche und sprach in einem selten gehoerten, seltsam langgezogenen dialekt hinein, sein gegenueber war aber offenbar nicht sehr gespraechig, also steckte der mann das telefon wieder in die tasche, verzehrte sorgfaeltig eine scheibe kochschinken nach der anderen aus der familienpackung, die offenbar reiseproviant und abendessen in einem darstellte, und blaetterte angelentlich in einem lidl-prospekt, den er ebenfalls seiner aktentasche entnommen hatte und der offensichtlich auch noch aus deutschland stammte. ab und zu ging draussen auf dem gang eine sehr blonde frau vorbei, die ihr schon ein wenig fortgeschrittenes alter mit hoehen stiefelabsaetzen, kurzem rock und tiefem ausschnitt kaschierte. die blicke des mannes folgten ihr stets von erstem bis zum letzten moment und hingen anschliessen noch ein wenig wie versonnen in der luft, bevor sie zu kochschinken und lidl-prospekt zurueckkehrten.
nach drei stunden fahrt zog der mann noch einmal das telefon aus der tasche, doch sein unsichtbares gegenueber war zwischenzeitlich nicht gespraechiger geworden. "es tut mir leid, wenn ich dich stoere, aber hier im abteil sitzen nur deutsche, ich kann mich mit niemandem unterhalten", sagte er ins telefon. in kutno stieg er aus, nicht ohne dem aktenkoffer zuvor doch noch eine der zwei oettinger-flaschen ausgerechnet in kutno, diesem so sprichwoertlichen idealbild der polnischen provinz, und wir waren mehr als ueberrascht, auch jene blonde frau in kutno auf dem bahnsteig stehen zu sehen, die die blicke unseres mitreisenden so unausgesetzt auf sich gezogen hatte. das gab inter der tat anlass zu vermutungen - aber wie berechtigt war die annahme, die kutnoer bahnhofsnutten wuerden nach berlin zur fortbildung fahren, waehrend die kutnoer ehemaenner gegenueber ihren hausfrauen puffbesuche mit waschmittelhamsterkaeufen in deutschland kaschierten. schatz, das ariel ist alle... - die provinz scheint ein ewiges raetsel.

IV (der rueckkehrer)
der mann, der in mein abteil kam, war nicht mehr ganz jung, wie man so sagte, auch war er uebergewichtig, er trug ein graues tshirt, graue jogginghosen, grauen socken, fast schon graue haare, vielleicht, dachte, sah er nur wegen der kleidung so schwammig form- und farblos aus. er roch ein bisschen wie ein meerschweinchen, dessen kaefig ein paar tage zu spaet gereinigt worden ist. mit dem deutschen schaffner sprach er ein sehr ordentliches englisch, von der wars-dame wollte er wissen, in welchen waehrungen man im bord-restaurant bezahlen koenne - euro und zloty, war die antwort, er hatte aber nur dollar. sowieso fand er die preise halsabschneiderisch ueberteuert, er blieb die ganze reise ueber im abteil. als der zug losfuhr, fragte er mich: wie die bahnhoefe in berlin hiessen, wie oft und wie lange der zug unterwegs hielte, ob grenzkontrollen waeren, ob wir polen inzwischen nur noch einen ausweis braeuchten, ja und wie das frueher doch mit den grenzkontrollen gewesen war... er liess mir kaum zeit zum nicken, er fragte weiter: wie man von warschau nach kielce kaeme, wen man da fragen muesse, ob ich schon laenger in deutschland lebte, ob ich da studierte, wie man in warschau so zurechtkommen wuerde, und ob man da arbeit faende - aber natuerlich, es war wie ueberall, entweder man fand arbeit oder nicht, da war jeder selber schuld - und ob in warschau auch so viele autos und so viele staus waeren. - er kam gerade aus kanada zurueck, erzaehlte er, und wer weiss, dachte ich, wieviele jahre er dort verbracht hat, er wirkte tatsaechlich ein wenig wie von einem anderen stern. europa muß ihm sehr fremd gewesen sein. schliesslich legte er sich schlafen, nach 24 stunden reise. ob er schnarche, fragte er mich zwischendurch, das taete ihm leid. ich laechelte freundliche und hoerte den rest der reise musik.

V (die auslaender)
beide sprachen englisch mit akzent, aber jeder mit seinem eigenen, obwohl es immer heisst, den spaniern wuerde es leicht fallen, die polnische sprache zu lernen, die aussprache waere tatsaechlich sehr aehnlich. es sah aus wie eine sommerliebe, die sich notgedrungen, aber zuversichtlich, der bewaehrungsprobe des ersten winters stellt, sie kam nach vier monaten zurueck, er fuhr das erste mal ueberhaupt in dieses land, und man konnte nur feststellen, dass sie sich keine bessere jahreszeit haetten aussuchen koennen als den november, der bekannt war fuer einen nur halbhoch haengenden grauen himmel, regen und schnee. doch der zug war beheizt und beleuchtet und geradezu heimelig, und der speisewagen zerstreute schliesslich alle zweifel: "a lot of wodka, a lot of beer - i'm going to like this country" sagte der spanier ueberzeugend, und seine freundin laechelte dazu, und dann stiegen sie aus.

wtorek, 7 września 2010

mądrość codzienna albo słowo od moich portierników

(parę minut po ósmej wieczorem, na korytarzu przed skrzynkami pocztowymi)
- dobry wieczór!
- oh, dobry wieczór, pani! a jak minął dzień?
- no jak zawsze, w pracy... a u pana?
- ah, dobrze dobrze. dzień dopiero minął. a teraz zaczyna się wieczór!

sobota, 4 września 2010

coś ci świta albo słowo o zakupie żarówek w polsce

puenktlich zu einbruch der daemmerung brannte mit einem kleinen "plopp" die gluehbirne der leselampe durch. der kuechenschrank gab noch sorgfaeltig gehuetete faltschachtelverpackungen her, aber keine frische leselampe. die mitbewohnerin zuckte hilflos die schultern: woher nehmen und nicht stehlen? es blieb der gang zu den laeden um die ecke und um sieben uhr abends kaum aussicht auf erfolg. im rund um die uhr geoeffneten mini-europa fanden sich muellsaecke, duftkerzen, grablichter und reinigungspaste fuer marmorstein, aber keine einzige gluehbirne. im emil gegenueber der kirche gab es gluehbirnen, sie waren aber zu gross. der freundliche kramladenbesitzer hob bedauernd die schultern und empfahl das haushaltsgeschaeft neben der chemischen reinigung, das seit anderthalb stunden geschlossen war. die kundin mit dem uebergewichtigen dackel wiegte bedaechtig den kopf und riet: "trzeba wykręcić na kłatce!" der verkaeufer nickte zustimmend. ich dankte und wuenschte einen schoenen abend. so ging das also mit den gluehbirnen, die es aus nun verstaendlichen gruenden nirgendwo zu kaufen gab.

(im letzten laden um die ecke fand sich dann doch eine passende birne. nur war die leselampe von ikea offenbar nicht fuer 60 watt gemacht. kurz nach mitternacht brannte die geschmolzene fassung durch, damit war es dunkel und aller lichter ein ende.)

czwartek, 2 września 2010

wenecja wschodnia albo wszystkie moje mosty II

niemand kaeme auf die idee, diese stadt mit venedig zu vergleichen. zu weit war das meer entfernt, zu niedrig der haeufig nebelverhangene himmel und kein licht einer lagune. die boote, die auf der weichsel zu sehen waren, waren die spielzeugschiffchen der wasserpolizei oder ordentlich vertaeut, und die behaebig schweren kohleschlepper zogen auf anderen wasserwegen in richtung der deutschen kraftwerke. an den terrassierten ufern der weichsel broeckelte der sozialistische beton und gab hier oder dort auf rostendes stahlgeflecht frei, ueber das in unaufmerksamen momenten die fuesse stolperten. unverbruechlich jedoch standen die bruecken eine nach der anderen an ihrem ort, als waeren sie die letzten hueter einer laengst vergangenen ordnung, die mit architektonischer aristokratie nur unzureichend umschrieben war. behaebig lag die most łazienkowski auf ihren niedrigen pfeilern und hob sich kaum ueber den horizont, klaglos und ohne ein widerwort trug sie tag fuer tag nichtendenwollende stroeme von autos lastwagen omnibussen von einem ufer aufs andere, als waere sie nie zu anderem bestimmt gewesen. wohl warf man zuweilen aus den augenwinkeln einen blick auf die beiden hohen pfeiler, die mit vereinten kraeften die most siekierkowski trugen, doch meist sah man man vorbei. unuebersehbar zog sich dagegen die most poniatowskiego kilometerlang durch powiśle, bis sie endlich das flussufer erreichte, das sie muehelos und nahezu unbemerkt ueberquerte, und nur die abgebrochene spitze der burgzinnenartigen umrandung an einem der maechtigen pfeilertuerme, folge des wohlgezielten blitzschlags eines ungnaedigen wettergottes, gab auskunft darueber, dass auch diese bruecke nicht gegen alle unbillen ihrer geschichtstraechtigkeit gefeit war. unter ihren schwungvollen boegen zog sich ein unergruendliches labirynth von treppen entlang, von uralten ausgebleichten ariadne-faeden gesaeumt, im schwachen licht gelblicher laternen fiel das regenwasser zur erde wie im inneren einer uralten stropfsteinhoehle. hinter den letzten aufgaengen, die wie alle anderen nirgendwohin zu fuehren schienen, begann das centrum handlowe arkadia, dem unabaenderlich der eindruck anhing, geschlossen und abgewickelt zu sein und das nach ein paar hundert metern tatsaechlich in die undurchschaubar eigenartige betontraegerkonstruktion einer auf ewig unvollendeten investitionsruine ueberging. dort standen an spaeten manchem freitagabend gruppen von jugendlichen, und als haetten sie sich alle laengst verloren geglaubten klischees auf die fahnen geschrieben, stand zu ihren fuessen, unbeachtet, aber unueberhoerbar, ein ghettoblaster oder auch zwei. unweit der kreuzung, an der bushaltestelle, warteten stets nur alte leute. wer hatte dem kind erzaehlt, unter einer bruecke stehend, ueber die in diesem moment ein zug fuhr, haette es einen wunsch frei? unter der most średnicowy musste man nie lange warten, bis der naechste zug zu hoeren oder zu sehen war, jeder verheissungsvoll das versprechen eines weit entfernt gelegenen zieles singend. unbeantwortet blieb stets die frage, ob die fahrtrichtung nach moskau oder paris vielversprechender waere fuer den jeweiligen wunsch, doch fuhren die meisten zuege sicher nur nach radom oder kielce, płock oder otwock. mit erhobenem schwert und schild, so schien es, bewachte die syrena nadwiślańska die most świętokrzyski, deren gefaelliger bogen auf der einen seite dem betrachter das zentrumspanorama so aeussert vorteilshaft darbot und ihn auf der anderen erbarmungslos sich selbst ueberliess zwischen unbeschilderten strassenkreuzungen und eingezaeunten uferauen voller wildwuchs. an der noerdlichen fassade der most śląsko-dąbrowski war die gedenktafel fuer die armia krajowa stets mit blumen und gestecken geschmueckt, unter dem schleifenden bremsen der strassenbahnen verschwanden die autos im tunnel unter dem schloss, und mochte noch an den kommunismus denken, wenn von der trasa wschód-zachód die rede war oder er in der naechsten baeckerei eine wuzetka kaufte? hinter der most śląsko-dąbrowski weitete sich unversehens der blick, um erst in einiger entfernung auf die most gdański zu treffen, die sich erst im naeherkommen als zwei- und sogar dreigeteilt zu erkennen gab und deren stahlkonstruktion im sonnenschein stets die vielversprechenden licht- und schattenspiele herausragender architekturfotographie auf die fensterscheiben der strassenbahnen warf. manchmal entstieg unversehens eindruckheischend ein brautpaar im hochzeitsstaat der tram und posierte vor der postkartenansicht mit altstadt und skyline. selten war auf den hochzeitsfotos eine bruecke zu sehen.

środa, 1 września 2010

wenecja wschodnia albo wszystkie moje mosty I

vielleicht sind es die bruecken, die einer stadt ihr gesicht geben. nie habe ich in einer stadt ohne fluss gelebt, nie in einer stadt ohne bruecken. unter den stolzen und kuehnen burgen und dem ewiggrauen zeiss-turm trug die schmutzig-schwarze saale im fruehjaehrlichen hochwasser zuweilen eigenartiges treibgut mit sich, die hellen straende blieben ein maerchenlied, und der bahnhof paradies eine ewige baustelle. die unerinnerliche unzahl hauptstaedtischen bruecken ueber spree und havel und kanaele trotzte beharrlich dem guten vorsatz der zuwanderer, auf eine nach der anderen den eigenen fuss zu setzen - es waren viele, aber kaum eine von ihnen war im sinne des wortes 'spektakulaer', sie wurden zu alltaeglichem gebrauchsgut, und nur die, die ihre pfeiler statt auf maerkischen sand schliesslich auf literarisches papier gruendeten, blieben als besonders im gedaechtnis. spreeathen, ja, aber doch schinkels wegen und nicht wegen der fluesse. in einer kleinstadt des ostens war der grenzfluss kaum der rede wert, aber doch ein fluss, und haetten die alteingesessenen statt einer europaverbindenden fussgaengerbruecke lieber ein neues schwimmbad gehabt, so tat das dem sommerlichen entenfuettern keinen abbruch. das hundertjaehrige eisenbahnviadukt zog sich erhaben ueber einen waldbestandenen talabbruch am rande der stadt, und der erhebende ausblick verfehlte seine wirkung noch weniger auf den einzigen beobachter in einem leeren zug, dem er unversehens vor augen trat. wie in jeder polnischen stadt musste die oder unter einer grundwald-bruecke hindurchziehen, davor und danach verzweigte sie sich in vielfaeltigste kanaele, seitenarme, nebenstroeme, an deren ufern jene alibi-inseln entstanden, auf denen die polizei die naechtlichen parkbankbewohner mit ihren bierdosen in frieden liess. wahrhaft majestaetisch zu nennen war die oder, wo sie ein paar hundert kilometer weiter in richtung nordwesten an die grenze stiess und der fluss mit seiner weitlaeufig bogenueberspannten bruecke das einzige heilsversprechen in einer heillosen stadt war. die grosse schwester der oder, die weichsel, lief auf ihren weg von sueden nach norden bis zur ostsee wie ein breites schweres eisenband mitten durch die hauptstadt, vielfarbige brueckenboegen wie maschen auf einer haekelnadel aneinanderreihend, neun an der zahl, als haette es keine biblische zahl sein muessen auch an diesem ort.